Center-Entwickler im Umbruch

Die großen Developer entwickeln wenig und überlassen manches Feld den kleineren. Das Ende der großen Center-Entwicklungen?

Das Leitsortiment der Innenstädte und Shoppingcenter taumelt. Gerry Weber will 103 Filialen schließen, Zero ist insolvent. Wohin der Weg von Esprit, S.Oliver und Street One führt ist ungewiss? Dazu der Konzentrationsprozess anderer Branchen: REWE und Edeka – viel mehr ist nicht im Supermarkt-Bereich. Rossmann und dm teilen sich den Drogeriemarkt-Umsatz mit wenigen lokalen Ausnahmen. Deutschlandweit expansive Familienschuhfachgeschäfte kann man an einer Hand abzählen und Buchhändler … dafür reichen vielleicht zwei Finger.
Darauf müssen die großen Entwickler der Shoppingcenter reagieren. Und wie (?)! .

Bei der Unibail Rodamco Germany, früher mfi, gibt der französische Mutterkonzern die Richtung vor: „Big is beautiful.“ Die zuletzt eröffneten Center aus der „alten“ mfi-Pipeline in Recklinghausen und Mönchengladbach passen aber wenig zu den Centern in Madrid, Paris, Warschau und anderen europäischen Metropolen, in denen Unibail nach der Marktführerschaft gegriffen hat. Zumindest erfüllen sie noch die Mindestgröße von 40.000 m² Handelsfläche. Mit Osnabrück, das noch nicht realisiert ist, tut man sich in Paris um einiges schwerer: Wie soll sich in der kleinen Stadt auf kleiner Fläche das große Erlebnis entfalten, dass den Kunden aus dem bequemen Sessel vor dem Bildschirm reißt und den Weg ins Center nehmen lässt? Wie den 4-Star-Service realisieren? Wie die Food-Experience umsetzen? Zudem ist Unibail gewohnt zu diktieren: Sie hat die Flächen in den interessanten Großstädten, die jeder Filialist einfach besetzen muss, und die haben nun mal ihren Preis. Aber kann man dieses Diktat auch in Osnabrück umsetzen?
Gerade mal das eingangs erwähnte Projekt in Hamburg erfüllt die Unibail-Kriterien, die gar nicht neu und Insidern seit jeher ein Mantra sind: Große Stadt und große Fläche. Dieser Regel folgt Unibail diszipliniert. Doch in welcher großen Stadt stehen Flächen ab 10.000m² zur Verfügung? Welche lässt große Einzelhandelsentwicklungen (noch) zu? Deren Anzahl ist so überschaubar wie die der expansiven Buchhändler. Da hält sich der französische Konzern an Großformate im Bestand: Die verfügbaren 50 Prozent des CentrO wurden erworben sowie der Handels-Dinosaurier Ruhr-Park Bochum, der mit einer professionellen Modernisierung in eine sichere Zukunft geführt werden soll.

Bei den anderen international tätigen Projektentwicklern tut sich in Deutschland wenig bis gar nichts: Multi Development und MAB aus Holland haben sich zurückgezogen. Die aus Portugal stammende Sonae Sierra konnte mit dem Alexa überzeugen, das Loop 5 bei Darmstadt war schon schwieriger und der Hofgarten in Solingen ist bisher nicht gerade Prototyp eines auf den Punkt gebrachten Shopping Centers. Ob Nürnberg wirklich kommt, bleibt abzuwarten. Der Neueinsteiger Klepierre – wie Unibail ein französisches Schwergewicht – dürfte mehr damit zu tun haben, das übernommene Corio-Portfolio (das Corio zuvor von Multi Development gekauft hat) zu revitalisieren als neue Center zu entwickeln.

Nur was heute in der Entwicklung ist, kann bis 2020 eröffnen. Insider wissen es schon lange: Aus den Pipelines einstiger Projektentwickler-Granden tröpfelt es nur noch.

Center für die Klein- und Mittelstädte

Vor wenigen Jahren gründete ECE eine eigene Abteilung für die Entwicklung kleinerer Center in Klein- und Mittelstädten. Die damit verbundenen Hoffnungen erfüllten sich nicht. Die politischen Prozesse für Planungs- und Baurecht erwiesen sich auch in den Mittelstädten als schwierig. Verunsichert durch centerkritische Standortgutachter, realitätsferne Stadtentwicklungsprofessoren, streitbare Immobilienbesitzer, klagefreudige Bürger und Nachbarstädte zogen sich viele Verwaltungen und Politiker auf die Linie des geringsten Widerstands zurück. Übrig blieben zu kleine Center mit zu vielen Restriktionen im Branchenmix.
Dazu trat ein Gigant auf den Spielplan, der die Handelslandschaft umpflügt und dessen Saat erst beginnt aufzugehen: Das Internet. Vor 5 Jahren hätte die ECE in der Provinz Velbert eine Mall mit ihrer Vermietungs-Power noch voll bekommen – doch das Internet hat die mächtige ECE überpowert. Rückzug war der einzige Ausweg.

So ist es nicht die ECE, die in kleineren Städten kleinere Center realisiert, sondern die HBB. Die Hanseatische Betreuungs- und Beteiligungsgesellschaft mbH, ebenfalls in Hamburg ansässig, agiert unter dem Radar der Großkonzerne in Städten wie Gummersbach, Hanau und Troisdorf.
Viele kleinere Projektentwickler engagieren sich an wenig prominenten Standorten: Concepta übernimmt das ECE-Projekt in Velbert, DIG eines in Homburg im Saarland. Wie auch DC Commercial in Ulm, CEMAGG in Weil am Rhein oder die jüngst durch JLL übernommene Acrest in Göppingen wollen sie den Beweis antreten, dass kleinere Formate in kleineren Städten die für ein lebendiges, funktionierendes Center erforderliche Sogwirkung entwickeln können.

Quo Vadis große Shoppingcenter-Entwicklungen?

Blicken wir nach Recklinghausen zum Palais Vest. „Zu aufwendig, zu groß, zu viele Mieter für diese Stadt.“ Das hört man hin und wieder. Neue Töne, denn eigentlich soll es doch groß sein – damit die Vielfalt geboten werden kann, um dominant zu sein und auch, um die hohen Betriebskosten auf viele Mieter verteilen zu können. Reinigung, Bewachung, Wartung und gutes Centermanagement kosten Geld, das Viele besser Schultern. Warum also diese Stimmen? Zara, H&M und Primark sind doch expansiv. Media Markt und Saturn laufen besser als vor Jahren geunkt. Mit Reserved kommt modische Kompetenz nach. Stimmt. Aber die Platzhirsche wissen um ihren Markwert, viel Miete ist mit denen nicht zu machen. Was zunehmend fehlt ist der Unterbau. Die zweite Reihe im Modebereich schwächelt; die Esprits, die S. Olivers, die Street Ones. Da der Modebereich 50% der gesamten Mietfläche ausmacht spürt das die Centerindustrie schmerzhaft. Es wird zunehmend schwerer, mehr als 100 professionelle Betreiber in ein Center zu locken, dass nicht in der Top Liga spielt.

Das war es also mit Neu-Entwicklungen im Großformat? Oder geht es dort weiter, wo es begann: den Warenhäusern? Mit großen Flächen in Toplagen besitzen sie Potenzial. René Bencko und seine Signa werden Karstadt-Immobilien an ausgewählten Standorten einer neuen Nutzung zuführen. Und die jüngste Übernahme der Kaufhof-Immobilien durch Hudson’s Bay und deren Joint Venture mit dem Entwicklungs-Gigant Simon Property Group aus den USA lässt einiges erwarten.

Autoren: Matthias Böning und Dr. Christof Glatzel, Boening & Glatzel GmbH

Anhänge:

Shopping Center Report 2016